Donnerstag, 1. März 2018

Wer sind die „Dukes of the Orient“? Das musikalische Erbe der Melodic-Rock-Band „Asia“, Teil 1



Wer sind die „Dukes of the Orient“? Das musikalische Erbe der Melodic-Rock-Band „Asia“

„Dukes of the Orient“, also zu Deutsch „Herzöge des Orients“, nennt sich eine der vielen musikalischen Neuerscheinungen, die das für Melodic Rock bekannte italienische Label Frontiers am 23. Februar auf CD und Vinyl in die Läden gebracht hat. Ein Name, der für die meisten Hörer unbeschrieben wie ein leeres Blatt sein dürfte, hinter dem sich aber dennoch eine der bekanntesten Institutionen dieses Genres verbirgt. Die Etymologie hilft weiter: Das aus dem Lateinischen stammende Lehnwort „Orient“ kann „Osten“ oder „Morgenland“ bedeuten. „Osten“ heißt aber auch das assyrische „Assu“ (kann auch „Sonnenaufgang“ bedeuten), das in der römischen Antike zu „Asia“ wurde und unter diesem Namen eine römische Provinz in Kleinasien bezeichnete. Bekanntermaßen trägt heute ein ganzer Kontinent diesen Namen. „Dukes of the Orient“ könnte also auch mit „Herzöge des Ostens“ oder „Herzöge Asiens“ übersetzt werden und letztere Übertragung ist schließlich die wegweisende.
   Die schlicht „Dukes of the Orient“ betitelte CD – Interpreten- und Albenname müssen als identisch angenommen werden – steht in direkter Nachfolge zur legendären, 1981 gegründeten Band „Asia“, die 1982 mit ihrem schlicht „Asia“ betitelten Debütalbum auf Basis von Radio- und MTV-Hits wie „Heat of the Moment“ (Platz 4 der US-Singles 1982), „Only Time Will Tell“ (Platz 17 der US-Singles 1982) oder „Sole Survivor“ das meistverkaufte Album der US-amerikanischen Albumcharts veröffentlicht hatten: ab März stand die Schallplatte neun Wochen lang auf Platz 1 und verkaufte bis heute etwa 10 Millionen Tonträger. Zur Gründungsbesetzung dieser „Supergroup“ gehörten John Wetton (Bass/Gesang), Geoff Downes (Keyboards/Gesang), Steve Howe (Gitarre/Gesang) und Carl Palmer (Schlagzeug/Perkussion). „Supergroup“ deswegen, weil alle vier Musiker in den 1970ern in schon damals, heute aber erst recht, legendären Bands des Progressive Rocks gespielt hatten: Wetton u. a. King Crimson, Uriah Heep, Roxy Music, UK und Wishbone Ash, Howe und Downes in Yes, (letzterer auch in der Avantgarde-Pop-Band The Buggles), Palmer in Atomic Rooster und Emerson, Lake & Palmer. „Asia“ machten jedoch einen stadiontauglichen Melodic Rock amerikanischen Formats (AOR) mit deutlichen Anleihen bei den jeweiligen Herkunftsbands und mit einer ordentlichen Prise Pop garniert. Der Erfolg hielt jedoch nicht an, die Gründungsbesetzung überlebte nur das zweite Album „Alpha“ (1983), denn „Astra“ (1985) wurde bereits ohne Steve Howe eingespielt und wurde noch nicht einmal betourt. Auch Wetton verließ darauf die Band, kehrte jedoch 1989 zurück. Bis 1991 tourte „Asia“ in teilweise unterschiedlichen Besetzungen und versuchten mit dem Albumzwitter „Then & Now“ (1990, zur Hälfte Hits, zur Hälfte neue Studioaufnahmen) ein Revival. Nach ausbleibendem Erfolg ging Wetton  jedoch abermals und Keyboarder Downes blieb als alleiniger Motor der Band zurück.
   1991 holte Downes für die Arbeit an „Aqua“ (1992) den ihm bereits seit den 80ern bekannten Bassisten und Sänger John Payne (u. a. Roger Daltrey, CCCP), der fortan für 15 Jahre Wettons Position übernehmen sollte. Ein Charakteristikum aller seitdem erschienen Alben waren wechselnde Besetzungen im Studio und auf der Bühne. So wurde „Aqua“ u. a. von Steve Howe und Carl Palmer, sowie dem langjährigen Saxon-Drummer Nigel Glockler  eingespielt. Allerdings versanken „Asia“ mit ihren Alben „Aria“ (1994), „Arena“ (1996), „Archiva Volume 1 & 2“ (1996), „Anthology“ (1997), „Rare“ (1999), „Aura“ (2001) und „Silent Nation“ (2004) kommerziell immer mehr in der Bedeutungslosigkeit, obwohl sie in der Ära Payne sogar künstlerisch gereift und immer progressivere Wege gegangen waren: Payne hatte die stilistische Palette um Spielarten wie Hard Rock, Westcoast, Fusion, Latin, Soul und R´n´B erweitert. Im Lichte dieser frustrierenden Publikumsresonanz ergriff Geoff Downes also nur zu gern die Gelegenheit, als John Wetton ihm 2006 ein nochmaliges Angebot zur Wiedervereinigung in Originalbesetzung machte. Ab hier wurde es für Außenstehende richtig kompliziert, denn was war geschehen? Downes verließ im Grunde die Band „Asia“ und gründete mit Wetton, Howe und Palmer die Band „Asia“ neu. Wieso? John Payne hatte zuvor schon Stück für Stück Rechte am Bandnamen aufgekauft und nach 15 Jahren engagierten Einsatzes konnte man ihm das aus einer moralischen Warte heraus auch kaum abstreiten, andererseits konnte die Originalbesetzung auch mit gutem Recht auf diesen Namen zurückgreifen. Man einigte sich schließlich: John Wetton führte die Originalbesetzung noch bis zu seinem Tod im Januar 2017 unter dem Namen „Asia“ (wobei gelegentlich das Attribut „The Original“ beigefügt wird, wie etwa auf dem offiziellen Internetauftritt), allerdings stieg Howe bereits 2013 wieder aus und der todkranke Wetton wurde in seinen letzten Monaten und nach seinem Tode durch Billy Sherwood ersetzt. Geoff Downes, Sam Coulson, Billy Sherwood und der nicht mehr von der Band überzeugte Carl Palmer – das ist alles andere als die Originalbesetzung.
   John Payne jedoch ist seit 2007 unter dem Terminus „Asia Featuring John Payne“ unterwegs. Noch 2006 hatte er die Band GPS gegründet, die aus der letzten offiziellen „Asia“-Besetzung vor der Reformation minus Downes bestand: Guthrie Govan – John Panye – Jay Schellen. Diese Band brachte im gleichen Jahr unter Mitwirkung des Keyboarders Ryo Okumoto (Spock´s Beard) das Album „Window to the Soul“ heraus, das teilweise Songs enthielt, die für das kommende „Asia“-Album gedacht waren, als Downes noch in der Band weilte. Ab 2007 arbeitete Payne mit dem kalifornischen Keyboarder Erik Norlander, den er 1997 kennengelernt hatte, als „Asia“ auf einem deutschen Prog-Festival in Bruchsal gespielt hatten und Norlander mit seiner Stammband „The Rocket Scientist“ Vorgruppe war, an Songs für das Debütalbum von „Asia Featuring John Payne“, das jedoch lange Zeit auf sich warten ließ. Zwar tourten Paynes „Asia“ fleißig in den USA, jedoch gab es 2009 zunächst nur die schwer zu beziehende EP „Decoding the Lost Symbol – Part of the Architects of Time Project“. Lange Zeit war unklar, ob das ein Nebenprojekt sein sollte, bis dann „Americana“ als Debütalbum angekündigt wurde. Von dem ominösen „Architects of Time Project“ hat man bis heute jedoch nichts mehr gehört. Im Dezember 2012 wurde mit „Seasons Will Change“ die erste Single von „Americana“ als Download und Video veröffentlicht – nur das das Album dann nicht erschien und lange Jahre fast schon totgeschwiegen wurde. John Payne schien mit Showprojekten in Las Vegas wie „The Rock Pack“ beschäftigt, Erik Norlander war 2014 aus „Asia Featuring John Payne“ ausgestiegen und durch Ryo Okumoto ersetzt worden, Jay Schellen hatte 2016 als Tourdrummer zu Yes gewechselt. Im Frühjahr sorgte John Payne für eine kleine Sensation, als er auf seinem privaten Facebook-Profil ein Foto aus seinem Studio veröffentlichte, das laut Kommentar beim Abmischen des „Americana“-Albums entstanden war. Nicht viel später wies „Asia Featuring John Payne“ auf ihrem offiziellen Facebook-Kanal auf die neu formierte Band „Dukes of the Orient“ hin, deren gleichnamiges Debütalbum Ende Februar 2018 erscheinen werde. Am 12. Januar 2018 erschien als erste Single „Strange Days“ als Video/ Download, der dann am 9. Februar das vorab bekannte „Seasons Will Change“ in den gleichen Formaten folgte. Und hier sind wir wieder an unserem Ausgangspunkt, den „Dukes of the Orient“, die also nichts anderes als die alternativen „Asia“ sind – oder sogar die legitimen und originalen, wenn man der Auffassung folgen mag, dass die „Asia“ um John Payne seit 1991 von einem bestimmten Standpunkt aus niemals aufgelöst worden sind, sondern nur unter anderen Namen gewirkt haben. Im Folgenden soll das Album noch besprochen und in den Kontext der bisherigen Veröffentlichungen eingeordnet werden.

© Christoph Alexander Schmidberger, 01.03.2018

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