Mittwoch, 7. März 2018

Rezension zu "Dukes of the Orient" - Das musikalische Erbe der Melod-Rock-Band "Asia", Teil 2



Nach ausführlichen Betrachtungen zum Werdegang der Band "Asia", wollen wir uns jetzt  einmal die neun Songs auf „Dukes of the Orient“ genauer betrachten (wobei der neunte Titel nur auf der japanischen Importversion zu finden ist): „Brother in Arms“ startet mit druckvollem Midtempo, einschmeichelnden Keyboardklängen und kräftigem Schlagzeug und einem stimmlich dezent an John Wetton erinnernden Payne am Mikro. Der Text behandelt – wie man das von Asia gewohnt ist – den Unsinn des Krieges, könnte aber auch ein Seitenhieb an Paynes vormaligen Wegstreiter Geoff Downes sein. Ein toller, vielleicht nicht unbedingt herausragender Beginn für das Kommende. Interessanterweise erinnern auch das Intro und der erste Vers an die Asia der Wetton-Ära.
   „Strange Days“, die erste Single von „Dukes“, treibt ebenfalls in mittlerem Tempo voran, entwickelt dank eines bombastischen Ansatzes mit vielen Keyboardflächen einen epischen Charakter, der an die musikalische Richtung der Alben seit 2001 wie „Aura“, „Silent Nation“ oder „Window to the Soul“ anknüpft. Umso trefflicher fügt sich Guthrie Govans Gitarrensolo ein, der auf diesen Alben ebenfalls zum Stammpersonal gehörte. Das vorhergehende Moog-Solo zeigt Erik Norlander, wie man ihn eher von seinen Arbeiten für die Rocket Scientists oder als Solokünstler kennt, obwohl er überraschenderweise oft Downes´ Spiel nachahmt.   
   Dies ist auf „Amor Vincit Omnia“, der einzigen Ballade des Albums, sehr offensichtlich. Abgesehen von einem instrumentalen Teil mit Gruselfaktor gegen Ende des Stückes, könnte  der Song genauso gut auf einem der letzten Alben mit Wetton zu finden sein (gemeint sind hier besonders „Gravitas“ (2014) oder „XXX“ (2012). Sogar der lateinische Titel (dt. „Liebe besiegt alles“; korrekt müsste der auf Vergil zurückgehende Wahlspruch der Minnesänger „omnia vincit amor“ heißen) ist Kennzeichen auf allen neueren Asia-Alben der Wetton-Ära von 2008 bis 2014, den Wetton/Downes: Icon-Projekten und Wettons Soloveröffentlichungen. Songwriting und Text sind hier durchschnittlich, aber die großen Keyboards und das starke Arrangement verhelfen der Ballade zu majestätischer Opulenz.
   Mal von der Stimme abgesehen, ist „Time waits for no one“ wahrscheinlich der am meisten nach Wetton-Asia klingende Titel. Er ist schnell, eingängig und treibend. Statt Hard & Heavy- mäßig die Muskeln spielen zu lassen, verneigen sich die Gitarren vor der verschnörkelten Kunst eines Steve Howe. Vermutlich der beste Titel auf dem Album, zumindest unter den kürzeren. „A sorrow´s crown“ überrollt den Hörer zunächst mit einer mächtigen Kirchenorgel, bevor es dann mit einem schnelleren Arena-Rock weitergeht. Hier merkt man die volle 80er-Schlagseite – auch Sylvester „Rocky“ Stallone könnte dazu filmreif joggen. Der Refrain ist groß und eingängig, der Mittelteil bringt die so typischen Synthiefanfaren. Der historisch angehauchte Text endet im Fade-Out mit gesprochenen Worten Paynes, der zuletzt seine ganze Wut hinausschreit: „America, Americana. All is lost, God forgive me“. Hier taucht also das lange als (Arbeits)Titel geführte „Americana“ auf.  
   „Fourth of July“, der zweitlängste Song, führt wieder den von den letzten Payne-Alben bekannten Sound fort, aber erneuert diesen mit einem an die späten 70er bzw. frühen 80er gemahnenden Streicherarrangement, das so unerhört ist in der Geschichte von Asia. Die so typische Anti-Kriegs-Thematik kommt recht melancholisch daher; ein längeres, an das „Arena“-Album erinnerndes Outro mit Akustikgitarre beschließt das Miniepos. Die zweite Single „Seasons will change“ ist für Fans vermutlich der langweiligste Song, immerhin wurde er bereits 2012 unter dem Künstlernamen „Asia Featuring John Payne“ als Vorbote des „Americana“-Albums veröffentlicht und somit von vielen schon endlose Male gehört. Trotzdem ist es ein Hit, der von mittlerem bis zu schnellem Tempo, kräftiger Ausführung und hymnischem Charakter alles aufbietet, was man am Melodic Rock dieser Band lieben kann und eine logische Weiterentwicklung des vom „Window to the Soul“ bekannten Materials.  Hier wird noch einmal richtig schön nach Vorne gerockt, bevor das Album mit „Give Another Reason“ auf eine recht progressive Weise endet. Es beginnt mit einem dreiminütigen instrumentalen Vorspiel – man beachte die spanische Gitarre – und endet mit einem im dezent treibendem Midtempo gehaltenen Song epischen Ausmaßes (10 Minuten!), das durchaus an Spock´s Beard oder sanftere Dream Theater erinnert. „The Rebel“ ist eine kurze, akustisch gehaltene Ballade: Nur Payne wird von Piano, Cello und Flöte begleitet. Dieses seltsame Stück sprengt wohl den Rahmen des von Asia Gewohnten und man kann sicherlich darüber diskutieren, ob es ein passendes Ende für das Album ist. Ich halte es für gut, aber nicht großartig und als Bonustitel ist es sicherlich am rechten Platz – falls man sich die Mehrkosten für die japanische Importausgabe leisten möchte.
Neben Norlander und Payne, der gelegentlich auch an der Gitarre zu hören ist, treten als Gäste alle Musiker auf, die man schon von den diversen Besetzungen der „Asia Featuring John Payne“ kennt: Bruce Bouillet (Racer X, The Scream), Guthrie Govan (Asia, Steven Wilson Band, The Aristocrats), Jeff Kollman (Glenn Hughes,  Michael Schenker Group) und Moni Scaria (Joey Vera, WWIII) an der Gitarre, ausschließlich Jay Schellen (World Trade, Asia, Yes) am Schlagzeug. Der Klang ist sehr dynamisch und differenziert, sprichwörtlich kristallklar und doch druckvoll – geschuldet einer liebevollen Produktion John Paynes, der das Album deswegen sogar analog abgemischt hat. Der scheinbar schwerhörige, aber hoch gelobte Rick Rubin sollte sich davon mal ein Stückchen abschneiden, er selbst findet es ja schick, Musik so lange zu komprimieren, bis sie unhörbar (laut) geworden ist. 
   Das Booklet ist überschaubar, bietet jedoch alle wichtigen Infos und Fotos sowie  zusammen mit dem Inlay an Steampunk verweisende Illustrationen, die gut zu den Fotos vor einer historischen Eisenbahn passen. Das in Gelb, Beige und Brauntönen gehaltene Coverartwork von Rodney Matthews, der schon früher für Asia gearbeitet hatte (u. a. „Aqua“ und die beiden „Archiva“-Kollektionen) ist als Referenz an seine ähnlich gefärbte Illustration zu „Arena“ (1996) zu betrachten. Sie zeigt nämlich den geflügelten, diesmal feuerspeienden Löwen, und die Kobra, die hier jeweils gedoppelt und nebeneinander sitzend auftreten. Gemeinsam symbolisieren sie also die „Herzöge des Orients“, dies auch durch das Schwert unterstrichen, das der gelbe und der violette Löwe gemeinsam halten.
   Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Politik und Krieg anprangernde, die von John Payne favorisierten historischen Verschwörungsstoffe à la Dan Brown einwebende „Dukes of the Orient“ den zuletzt auf „Silent Nation“ und „Windows to the Soul“ gehörten Weg weiter beschreitet, aber genauso der eigenen Vergangenheit mit Wetton, Downes, Howe und Palmer Tribut zollt, was dem Ganzen einen frischen Anstrich verpasst, zumindest wenn man auf diese Art zeitlosen Stadion-Rock der 80er und 90er steht. Aber „Asia“ waren ja auch noch nie einer dieser typischen, gefühlt massenhaft auftretenden Klone von einschlägigen Bands wie Foreigner, Journey oder Night Ranger, dagegen sprechen allein schon die majestätischen, verspielten Keyboard- und Synthieklänge. Glücklicherweise finden sich auf dem Album wieder vermehrt die so geschätzten instrumentalen Klanglandschaften, die auf den letzten beiden Alben mit Wetton deutlich reduziert worden waren. „Dukes of the Orient“ ist ein sehr starkes, teilweise episches Album, auch wenn es letztlich nicht am Sockel kratzt, auf dem sich das unter Fans legendäre und als geradezu göttlich anerkannte Monument der Payne-Ära, „Aura“ (2001), befindet.   
   Dagegen sprechen zwei Gründe: Erstens ist es etwas zu kurz geraten, zumindest fühlt es sich wenigstens so an, da es einerseits sehr kurzweilig ist, andererseits aber auch das Stück „Seasons Will Change“ schon so lange vorab bekannt war. Auch hätte man sich nach 11 Jahren des Wartens vielleicht etwas mehr Material erhofft. Was für ein wunderliches Ding die menschliche Wahrnehmung doch ist!
   Zweitens reicht dann doch keiner der Songs an den Übersong „Free“ vom „Aura“-Album heran. Der ist mit 8 Minuten und 51 Sekunden zwar über eine Minute kürzer als „Give Another Reason“, vermittelt dafür aber nahezu perfekt das Lebensgefühl seines Titels, da er quasi wie die Musik gewordene Version des Films „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ (2009) klingt: bombastisch, majestätisch, episch, mit Tempowechseln von langsam zu schnell, einem basslastigen, dröhnenden Outro voller Grandezza und eben fantastischen Soundscapes, die geradezu an die schwebenden Inseln Pandoras erinnern, die Filmemacher James Cameron ja bei Asias Hauscoverkünstler Roger Dean“ „entlehnt“ haben soll (es gab tatsächlich einen Rechtsstreit). Außerdem wurde „Free“ von einer so selten vorkommenden Besetzung eingespielt: John Payne (Gesang/Bass), Geoff Downes (Keyboards), Simon Philips (Schlagzeug; Toto, Mike Oldfield, Gary Moore) und den drei Gitarristen Steven Howe (Yes, Asia, GTR), Ian Crichton (Saga, Asia) und Pat Thrall (Pat Travers, Asia, Meat Loaf)!
Wie dem auch sei, die Welt hat mit „Dukes of the Orient“ das erste Album eines Asia-Line-ups seit vier Jahren und das sollte gefeiert werden, ganz egal welche Bedeutung man dem Studiowerk nun im Kontext seiner Vorgänger beimessen mag. Denn besseren Melodic Rock wird man heutzutage kaum finden.  

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